(So schrieb der Wiesbadener Kurier)
Wie viel Erdreich ist wirklich auf dem Gemeindegrundstück neben dem neuen Görsrother Sportplatz abgelagert worden? Warum Zweifler der vorgelegten Dokumentationen keine Ruhe geben.
Görsroth. „Still ruht der See.“ In diesem Falle allerdings eher: die Erde. Seit vielen Monaten tut sich äußerlich nichts auf dem Nachbargrundstück des neuen Görsrother Sportplatzes an der Bundesstraße 417. Grün bewachsen ist das abgelagerte Erdreich. Die Erdarbeiten, die dort bis zum Sommer des vergangenen Jahres zur Auffüllung des tiefer gelegenen Grundstücks ausgeführt wurden, ruhen. Und auch die hitzige Debatte rund um die bisher illegal zu nennenden Erdablagerungen, die innerhalb des Vorstandes der SG Hünstetten ausgebrochen war und den gesamten Verein in Mitleidenschaft gezogen hatte, scheint verstummt zu sein. Nach langwierigen Auseinandersetzungen in Vorstand und Mitgliederversammlung, nach Drohungen und dem Umbau des Vorstandes herrscht Stille um das Thema aus dem Verein. Aber auch die Gemeinde Hünstetten, die als Grundstückseigentümerin direkt involviert ist in die Erdablagerungen, ist sparsam mit Auskünften über den Stand der Dinge.
Schaden vom „Leuchtturmprojekt“ abwenden
Ginge es nach dem neuen Vereinsvorstand Michael Larisch und Bürgermeister Jan Kraus (Hünstetter Liste), dann wäre die Affäre rund um die illegalen Erdablagerungen neben dem neuen „Sportpark Hünstetten“ vermutlich längst ad acta gelegt und die Debatte darum beendet, um weiteren Schaden von dem (berechtigterweise) „Leuchtturmprojekt” genannten Sportplatzneubau an der Hühnerstraße abzuwenden. Aber es geht nicht allein um diese beiden Akteure. Und Schaden ist bereits entstanden. Denn das, was der Verein auf dem Nachbargrundstück des Sportplatzes seit Frühjahr 2021 unternommen hat, war illegal. Vor dem Hintergrund einer formlosen Absprache zwischen dem damaligen Vereinsvorsitzenden Armin Faust und einem mittlerweile pensionierten Bauamtsmitarbeiter, der gleichzeitig Leiter der Hünstetter Gemeindewerke war, wurde von der Baufirma des Vereinsvorsitzenden Erdreich auf dem Grundstück abgelagert und eingearbeitet, das für eine Gebühr von zehn Euro pro Kubikmeter von verschiedenen Baufirmen und aus unterschiedlichster Provenienz entgegengenommen wurde. Das Geld aus den Gebührenzahlungen ging an den Verein, der damit vorhatte, seine vertraglich vereinbarten „Eigenleistungen“ am Bau des neuen Vereinsheims abzugelten.
Dies hätte in mehrerer Hinsicht so nicht passieren dürfen. Erstens gehört das betreffende Grundstück der Gemeinde, nicht dem Verein. Zweitens darf ein gemeinnütziger Verein nicht einfach Gebühren dieser Art erheben und kassieren. Drittens ist eine Baugenehmigung erforderlich, wenn auf einem Grundstück Erde abgelagert werden soll, die woanders herstammt. Und viertens hätte mindestens der Gemeindevorstand, wenn nicht eigentlich die Gemeindevertretung, mit diesem Vorgang befasst werden und eine Genehmigung erteilen müssen.
Bauantrag ist gestellt
Der Fall der „illegalen Erdablagerungen“ wurde nach Bekanntwerden zur Chefsache in Hünstetten. Möglichst schnell und vor allem so geräuschlos wie möglich sollte die Affäre in „legale“ Bahnen geführt werden. Doch das hat bisher nicht so richtig geklappt. Immerhin: Die Verwaltung hat mittlerweile den notwendigen Bauantrag beim Landkreis gestellt. Und es liegt seit Frühjahr der Entwurf einer Vereinbarung über die Erdablagerungen zwischen Kommune und Verein vor. Doch diese ist noch immer nicht beschlossen. Mitglieder von SPD und Grünen im zuständigen Haupt- und Finanzausschuss bewirkten mehrfach Verzögerungen des Beschlusses.
Fehlbetrag von 188.600 Euro?
Aufreger blieb in den Beratungen neben der Tatsache, dass das Ganze illegal und an allen Gremien vorbei passiert ist, die Qualität des abgelagerten Erdreichs und vor allem seine Menge. Der neue Vereinsvorstand beauftragte Anfang dieses Jahres ein Vermessungsbüro mit der Untersuchung der Menge, dessen vorliegende Berechnung jedoch die Ausschussmitglieder von SPD und Grünen nicht anerkennen, weshalb die Kosten für ein weiteres Gutachten eingeholt werden sollen. Auch die beiden ehemaligen Vereinsvorstandsmitglieder, die die ganze Affäre im Herbst 2022 öffentlich machten, vermuten, dass viel mehr Erde auf dem Grundstück eingearbeitet als dokumentiert wurde. Eine Fehlmenge von 2300 Kubikmetern hat der neue Vorstand eingeräumt. Eine Anfrage dieser Redaktion beantwortete der Vereinsvorsitzende nicht.
Ein Vereinsmitglied, das von Beginn an die Hintergründe der Affäre zu beleuchten versucht, errechnet aus dem Vermessungsergebnis von gut 19.000 Kubikmetern verdichteten Materials eine Gesamtmenge loser Erde von knapp 27.000 Kubikmetern, die Gebühren von 320.000 Euro (mit Mehrwertsteuer) hätten einbringen müssen. Da nur 131.400 Euro beim Verein verbucht wurden, wird in dieser Rechnung ein Fehlbetrag von 188.600 Euro festgestellt.
Vertragliche „Eigenleistungen“ des Vereins bleiben
Vom Tisch ist indes die Idee des Vereins, die eingenommenen Gebühren als „Eigenleistung“ für den Bau des neuen Vereinsheims an die Gemeinde zu zahlen. Der Ausschuss beschloss, den entsprechenden Passus aus dem Entwurf der Vereinbarung zu streichen und die eingenommenen Gebühren als Sondereinnahmen zusätzlich in die Finanzierung aufzunehmen. Denn die Eigenleistungen des Vereins am Bau des Vereinsheims sind vertraglich genau definiert: Sie umfassen neben dem Architekten- und dem Statiker-Honorar, die Energieberatung, die Bepflanzung des Grundstücks und die Planung von Eigenstromversorgung, Klima und Lüftung, außerdem verschiedene Leistungen der Firma Faust und einen bestimmten Stundenaufwand von Vorstands- und Vereinsmitgliedern. Insgesamt sind die Eigenleistungen mit knapp 230.000 Euro beziffert. Die Gemeinde Hünstetten beteiligt sich mit 1,45 Millionen Euro am Bau und es sind Fördermittel von KfW, Landkreis und „Sportland Hessen“ für die Finanzierung der geplanten Gesamtkosten von 1,76 Millionen Euro beantragt.
Und wie geht es jetzt weiter? Still ruht der See. Eine Aufklärung, wie es zu der Affäre kommen konnte, ist derzeit nicht zu sehen – auch nicht, wie viel Erde tatsächlich abgelagert wurde auf dem Gemeindegrundstück, das künftig eine öffentlich zugängliche Sport- und Spielanlage erhalten soll.
Quelle: Wiesbadener Kurier vom 11.08.2023 (Beke Heeren-Pradt)